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Zur Anmeldung des FSB kam ein junger Mann und hat die Herausgabe des Leichnams seines Urgroßvaters gefordert, der im Jahre 1938 erschossen wurde, mit der Forderung ihm die Namen der Henker zu nennen. Als er eine Absage bekam, entschied er selbst Nachforschungen anzustellen im Fall des Mordes und alle Schuldigen zu ermitteln: Von Stalin bis zu dem Menschen, der auf den Abzug gedrückt hatte.
„Erschießungen waren nicht sehr effektiv. Viel effektiver war entweder das Erwürgen oder das Durchbrechen des Schädels mit einem Brecheisen. Im Gefängnis hatten die Angestellten einen Wettstreit veranstaltet, wer es schafft beim ersten Versuch einen Gefangenen mit einem Tritt mit dem Stiefel in die Leistengegend zu töten… So etwas ist unerträglich zu lesen und ich würde viel dafür geben um diese Dinge nicht mehr zu wissen. Aber ich will die Namen der Menschen kennen, die an der Hinrichtung beteiligt waren und ich werde diese herausfinden.“
Lesen Sie den Bericht von Denis Karagodin über seine Ermittlungen.
Der Urenkel eines Bauers, der im Jahre 1938 erschossen wurde, fordert vom FSB die Herausgabe des Leichnams und die Namen der Henker.
Der Ackerbauer Stepan Ivanovich Karagodin wurde im Jahre 1881 im Dorf Drovosetshnoje im Orlovskoij Gouvernement geboren. Zu Beginn des XX Jahrhunderts ist seine Familie nach Fernost gezogen in das Dorf Blagoveshensk. Durch harte Arbeit konnte Stepan Ivanovich sich eine starke Landwirtschaft aufbauen und zählte in Wolkowo als Großbauer. Er wurde zum Anführer und Vorsitzenden der Dorfgemeinde. Im August 1918 hatte er an der bäuerlichen Zusammenkunft, organisiert von dem Verband der Ackerbauern, teilgenommen. Die Zusammenkunft hat die Tätigkeit der Volkskommissare missbilligt, lehnte die Mobilmachung der Bauern für die Rote Armee ab und forderte die Bildung einer bäuerlichen Wehr. Die Zusammenkunft hatte die vorläufige Regierung unterstützt und stürmte die bäuerliche Vereinigung und befreiten Blagoveshensk von den Bolsheviken.
Im Jahre 1921 wurde Stepan Karagodin verhaftet und wurde beschuldigt für die Gründung einer Organisation der Kulaken und der Weißen Garde. Er verbrachte 3 Monate in Haft. 1928 wurde er erneut verhaftet (unter anderem dafür, dass er als Vorsitzender des Gemeinschaftsrats die Bewohner seines Dorfes nicht Entkulakisiert hat), verurteilt nach Paragraph 58 – 14 StGB der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik (kontrarevolutionäre Sabotage) zur Deportation nach Sibirien für drei Jahre. Die Verbannung verbrachte er in der Napimskij Provinz. Danach zog er nach Tomsk, wo er in der Nacht zum 1 Dezember 1937 von den Mitarbeitern des Tomsker GO NKWD verhaftet wurde. Durch einen Sonderrat wurde er zum Tod durch Erschießen verurteilt als Organisator einer Gruppe der Spionage-Diversion „Harbinzi (харбинцев) und der Ausgesiedelten aus der Fern Ost Region (ДВК)“ und Gruppenführer einer japanisch militärischen Ausspähung. Das Urteil wurde am 21 Januar 1938 vollstreckt.
Denis, der Urenkel von Stepan Karagodin widmete seiner Geschichte eine Website. Der 33-jährige Designer und Hochschulabsolvent der philosophischen Fakultät der Staatlichen Universität Tomsk, Denis Karagodin sammelt Informationen über das Schicksal seines Urgroßvaters und von anderen Verwandten. „Ich kann Stepan Ivanovich gar nicht meinen „Urgroßvater“ nennen und auch seinen Sohn, der im GULAG war und der nach dem Krieg an seinen Verletzungen gestorben ist, nicht Großvater, weil es Menschen sind, die verstarben, als sie selbst noch jung waren“, – sagt Denis Karagodin. Stepanivanovichkaragodin.org – ist nicht nur einer Seite über Familiengeschichte, sondern eine echte Ermittlung: Denis hat entschieden Informationen zu sammeln über all die, die an der Verfälschung der Tatsachen gegen seinen Urgroßvater und andere in Arrest genommene, im Zusammenhang mit dem „Harbinskoje Delo“ («Харбинскому делу»), und eine Kette der Beteiligten aufstellen: von den Initiatoren des Kremls des „Großen Terrors“ bis zu den einfachen Ausführern in Tomsk.
Denis Karagodin erzählte Radio Svoboda über die Hoffnung seine Ermittlungen mit einem echten Prozess vor Gericht abzuschließen:
[sc_embed_player_template1 fileurl=»https://karagodin.org/wp-content/uploads/2016/06/2016-06-18-stepanivanovichkaragodin-radiosvoboda.mp3″]– Der Mord an Stapan Karagodin – war das ein Trauma, eine Wunde für Ihre Familie für viele Jahrzehnte?
– Darüber, dass er erschossen wurde, wusste die Familie nichts. Nach der Inhaftnahme von Stapan Ivanovich hatte seine Frau, Anna Dmitrievna ihn lange in den Lagern und Gefängnissen gesucht. Sie reiste durch die gesamte UdSSR in der Hoffnung den Ort seines Arrestes zu finden. Dies hatte solange angedauert, bis sie 1955 vom KGB aufgesucht worden war und sich einem Verhör unterziehen musste. Nach diesem Vorfall machte sie sich auf zu Verwandten und hatte im Zug über ihr Schicksal und ihren Verlust einigen Mitreisenden erzählt. Plötzlich hatte sie gehört, wie zwei Menschen (als hätten sie ihre Erzählung gehört) untereinander sprachen: „Weißt du noch, da gab es doch mal so einen Stepan Karagodin, der hatte bei uns im Lager als Schuster gearbeitet.“ Anna Dmitrievna hatte sich später zu ihnen gesetzt und hatte angefangen sie darüber auszufragen, aber diese hatten verneint und nur gesagt „nein alte Frau, das haben wir nicht gesagt, das hast du dir nur eingebildet“ und sie sind an der nächsten Station ausgestiegen. Ich denke, dass dieses Ereignis eine „aktive Maßnahme des KGB“ war, um die Legende zu festigen, dass Stepan Ivanovich scheinbar im Lager gestorben war, da die Angabe darüber, dass er als Schuster gearbeitet haben konnte, nur in der Akte zu seiner Erschießung aus dem Jahre 1937 enthalten sein konnte. Es ist nun so, dass die Suche und die Ermittlung nach dem Schicksal nie geendet hat und jede Generation unserer Familie ihr Möglichstes dafür tut.
– Wie viele Kinder hatte Stepan Karagodin?
– 9 Kinder, eine große Bauernfamilie. Zwei Söhne wurden in die Armee eingezogen und dienten in Tomsk. Ihnen wurde gesagt: „Euer Vater ist ein Feind des Volkes, ihr müsst euch Mühe geben gut zu dienen, und er wird Haftlockerungen bekommen“. Danach wurde mein Großvater verhaftet – der jüngste Sohn von Stepan Ivanovich – Lev Stepanovich. Er war im Siblag an der Bahnstation Taiga und musste Holzfällerarbeit leisten. Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, konnte er auf seinen Antrag hin von dem Gefangenenlager in ein Strafbataillon verlegt werden. Er hatte an der Konterattacke bei Moskau teilgenommen, wurde mehrfach verwundet, war beteiligt an Kämpfen an dem Frontbogen um die Stadt Kursk und anderen, war Panzersoldat, Maschinengewehrschütze, Lastwagenfahrer und Fernmelder. Jeder neue Militärposten war eine neue Klasse der Verwundung, wodurch er nicht mehr auf einer Position dienen konnte und auf eine andere versetzt wurde (gemäß seiner gesundheitlichen Tauglichkeit). Er hatte alles gemacht, um sich wieder zu legalisieren, denn sein Vater war ein Feind des Volkes. Dabei wusste er nicht, dass sein Vater schon lange erschossen war. Nach dem Krieg, als Kriegsinvalide, hat er eine Arbeitsstelle an der Polytechnischen Universität in Tomsk als Laborant angenommen und trat dort auch in die KPdSU ein (schon wieder aus den Gründen der Legalisation), die ihm auch mit größter Mühe und Anstrengung gelungen war.
Im Übrigen hatte sich sein Eintreten in die KPdSU auf seine Beziehung zu seinem Bruder Kusma ausgewirkt, da dieser ihm den Eintritt in die Partei lange nicht verzeihen konnte. Aber mein Großvater wusste genau was er tat. Dies war ein Schachzug gegen den Staatsapparat. Zudem ist er nach Tomsk nach dem Krieg zurückgekehrt um seinen Vater zu treffen, da es nun bereits das Jahr 1947 war und die Haftstrafe nun hätte schon verbüßt sein müssen.
– War es wie üblich in Haft — „10 Jahre ohne Briefkontakt“ ?
– Ich denke, dass auch dies nicht mitgeteilt wurde. Es sieht so aus, dass sie dieses anhand von ähnlichen Beispielen so entschieden hatten. Später, in den 50er Jahren gab die Behörde eine Bescheinigung darüber aus, dass Stepan Ivanovich, angeblich während der Haft gestorben sei. Normalerweise, wenn ein Fall wieder aufgerollt, geprüft und abgeschlossen wurde, gab es die Anweisung in den Standesämtern eine Todesursache entsprechend dem Alter und dem Geschlecht zu verzeichnen (scheinbar eine natürliche Ursachen): wie etwa Tod durch Lungenentzündung oder ähnliches.
– Und es wurden die Sterbedaten vorverlegt, damit es so aussah, als wäre diese Person während des Krieges gestorben.
– Genau so war es. Ich habe eine Sterbeurkunde im örtlichen Standesamt angefragt und habe dann darüber nachgedacht: ich weiß doch eigentlich auch, dass mir noch acht weitere Personen bekannt sind, die das Schicksal mit meinem Urgroßvater geteilt haben. Somit habe ich auch ihre Sterbeurkunden beantragt. Tatsächlich war es so, dass lediglich in drei Fällen die Angaben der Wahrheit entsprachen, die anderen waren verfälscht, bis zum heutigen Tag.
– Wurde Ihr Urgroßvater als Anführer dieser Gruppe der „japanischen Spionen“ gesehen?
– Als Anführer, Gründer einer kontrarevolutionären aufständischen Organisation, einer Gruppe mit Spionen und Diversanten, mit der Aufgabe Anschläge zu verüben, die Wahlen zu verhindern, also das ganze Programm. In Tomsk gab es viele dieser Fälle. Es gab eine ganze Industrie der Verfälschungen, die Personen betrafen. Die Menschen wurden verhaftet Anhand von ihren Personalien und Pässe ohne plausible Gründe. Es gab die Anweisung so und so viele Menschen in Haft zu nehmen, so dass danach Legenden geschaffen wurden, wer wann angeworben wurde für Spionagetätigkeiten. Festgenommene, die der selben Straftat beschuldigt wurden kannten sich oft nicht. In Tomsk wurden mindestens 2000 Menschen erschossen auf Grundlage von diesen Operationen: der Харбинская (Harbinskaja) Operation, Polnische Operation und weite.
– Alle acht Menschen, die im Zusammenhang mit dem Fall Ihres Großvaters verhaftet wurden, wurden auch erschossen?
– Alle wurden 1938 erschossen. Die Person, die sie scheinbar angeworben hatte, wurde früher erschossen und die Person, die meinen Großvater angeworben haben soll, wurde ebenfalls zu einem früheren Zeitpunkt erschossen. All diese acht Personen, die im selben Fall verhaftet wurden kannten sich untereinander nicht. Ihre Schicksale sind außergewöhnlich. Z. B. der Priesters Nikolaj Simo, der jetzt seliggesprochen wurde bei der russisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats und als Märtyrer gilt; der Ort an dem er der Kirche diente war St. Petersburg. Simo wurde in Leningrad erschossen, sein Sohn und seine Frau wurden nach Tomsk verbannt. In Tomsk wurde dann sein Sohn verhaftet und erschossen, worüber der Ehefrau Simos nicht berichtet wurde und sie aber letztendlich zwei Monate später ebenfalls verhaftet wurde und dann „kamen“ sie zum Großvater von Stepan Ivanovich, er wurde auf eine allgemeine Liste gesetzt und ebenfalls erschossen. Ich habe die Sterbeurkunden aller erschossenen zu „meinem“ Fall und es gibt die Idee eine Beschwerde einzureichen, damit diese korrigiert werden, denn es liegt hier eine Verfälschung der Dokumente vor.
– Sie haben sogar beim FSB die Herausgabe des Leichnams gefordert…
– Ich habe einfach geschrieben: ich habe einige Fragen an sie. Erstens: Wurden die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen, die schuldig am Massenmord sind und zweitens bitte ich den Leichnam herauszugeben. Im FSB hat man sich gewundert: „Welchen Leichnam?“ – „Den Leichnam meines Urgroßvaters Karagodin Stepan Ivanovich“. Damit fing der Papierkrieg an, ich schreibe also eine formale Anfrage und bekomme eine formale Antwort. Ich bin mir zu 100 Prozent sicher, dass sie genau wissen, wo die Hinrichtungen stattgefunden haben. Die ganze Stadt weiß es. Ich weiß wo sich der Leichnam befindet und dass es ein Protokoll über die Erschießung gibt, auf dem die Namen der Ausführenden verzeichnet sind. Es sind nämlich diejenigen, die am 21. Januar 1938 in der Abteilung des örtlichen NKWD 21 Dienst hatten, weil aus diesem Protokoll Rausschriften in der Akte existieren, die mir aber nicht herausgegeben wurde. Als Begründung dafür gab es einen Verweis darauf, dass sich die Akten und Dokumente in einem mangelhaften Zustand befindet, wobei in den Kopien, die mir zugesendet wurden, waren diese abgebildet. So werden also der Leichnam und die Akten über die Erschießung nicht rausgegeben und der Ort der Beisetzung wird nicht bekanntgegeben.
– Und wo ist dieser Ort der Beisetzung, über den die ganze Stadt Bescheid weiß?
– Das ist der Kashtak Berg. So ein großer Graben, dort gab es schon zur Zeit des Zaren ein Durchgangslager, dass anschließend zur Zeit des Bolsheviken Terrors in Betrieb war. Dort fanden auch die Hinrichtungen statt.
Es gab drei Methoden. Erschießungen waren nicht sehr effektiv. Viel effektiver war entweder das Erwürgen oder das Durchbrechen des Schädels mit einem Brecheisen. In den 80er Jahren hatte die Gesellschaft „Memorial“ Knochenreste in diesem Graben gefunden. Dieser große Graben hat einen natürlichen Ursprung, so ist es hier sehr einfach Leichen zu verstecken – einfach hinunterwerfen. In den Instruktionen des NKWK /MGB wurde veranlasst, dass der Rasen abgetragen werden sollte und dass unter den Rasen die Körper in Gruben hineingelegt werden sollen, aber ich weiß nicht genau, so oder so ähnlich hatte es zumindest in Tomsk stattgefunden. Hier gab es eine Besonderheit. Hier wurde nämlich eine große Anzahl an Menschen getötet und begraben.
– Haben Sie darüber geschrieben, dass zu Zeiten des Krieges die Begrabenen wieder ausgegraben und ihre Kleidung anschließend verkauft wurde?
– Tatsächlich hörte die Repressionen während des Zweiten Weltkrieges nicht auf und es wurden weitere Erschießungen ausgeführt. Es kamen Frauen aus der Stadt, gruben in den Massengräbern, die neben dem Graben waren und mit einem Schaufelbagger gegraben wurden, zogen die Kleidung von den Toten aus und verkauften diese dann auf dem Hauptmarkt. Eigentlich war die Situation viel schrecklicher, als es aus den Dokumenten hervorgeht. Denn als die Abteilung des NKWD der Stalinschen örtlichen Abteilung, nun ist es die Stadt Nowokusnezk in dem Kemerova Bezirk, der Tomsker örtliche Abteilung des NKWD einen sozialistischen Wettkampf erklärte, wer mehr Repressionen hat und mehr Menschen erschießt und im Endeffekt Tomsk gewinnt, wird das Ausmaß des Schreckes deutlich. Oder auch als in dem Gefängnis von Nowosibirsk die Angestellten einen Wettstreit veranstalteten, wer es schafft beim ersten Versuch einen Gefangenen mit einem Tritt mit dem Stiefel in die Leistengegend zu töten… Ich bringe es einfach nicht über die Lippen über diese Dinge zu sprechen. Ich will diese schmutzigen Dinge nicht anfassen, das ist unerträglich zu lesen und ich würde viel dafür geben diese Dinge nicht mehr zu wissen.
– Wo wurden die Beweise aufbewahrt?
– Beispielsweise in den Erinnerungen der Angestellten, die die Akten auf ihre Richtigkeit untersucht haben in den 1960er Jahren.
– Gibt es auf dem Kashtak Berg irgendein Denkmal?
– Dort gibt es ein Kreuz, dass in den 90er Jahren aufgestellt wurde. In den 80ern, als dort das „Memorial“ gearbeitet hatte, wurde ein Video aufgenommen und Gebeine ausgegraben, unter anderem auch sterbliche Überreste mit zertrümmerten Schädeln, damals konnten noch irgendwelche Grabungen vorgenommen werden. Aber jetzt ist dies unmöglich. Der Graben ist zugeschüttet mit Industrieabfall (zum Teil stehen dort auch Wohnhäuser und Bürogebäude): Stellen Sie sich vor, als ob Müll im Ausmaß von mehrere neunstöckige Hochhäuser in diesen Graben geschüttet wurde…. Als ich das gesehen habe, da habe ich vielleicht zum ersten Mal im Leben begriffen, dass es etwas Unmögliches gibt, begriffen, dass dies vergeblich ist.
– Sie interessieren
sich nicht nur für die Opfer, sondern auch für die Henker. Sie sammeln Informationen über alle, die an der Tötung ihres Urgroßvaters beteiligt waren. Was haben Sie geschafft zu finden?
– Als der Fall noch einmal überprüft wurden ist, wurden Angestellte herangezogen, die an den Erschießungen und an den Fälschungen der Dokumente beteiligt waren und sich nun dafür verantworten sollten. Aber die Menschen, die in der Kommission saßen und vor die Beteiligten treten musste, waren in der Regen ihre Kollegen. Formal gesehen war dies die militärische Staatsanwaltschaft, weiter gab es eine parteiliche Untersuchung,
aber in der Partei waren in Tomsk ebenfalls ein und die selben Leute damit beauftragt wie in der Kommission. Mir liegen Dokumente vor, die ich auf eine wundersame Weise erhalten habe, in denen es um die Untersuchung, beispielsweise, von dem Genossen Gorbenko geht.
Eine besondere Person – Gorbenko Georgij Ivanovich, Fahndungsbeamte der dritten Abteilung der städtischen Abteilung in Tomsk des UNKWD des Novosibirsker Bezirks, Unterleutnant für Staatssicherheit der UdSSR. Es war nämlich Gorbenko, der Ermittler und der Schuldige in der Erschießung des Poeten Kljuev war. Er war Massenmörder und Verfälscher, so stand es nämlich in den Dokumenten, da aber im Präsidium der Kommission seine Kollegen saßen, wurde die Sache unter den Teppich gekehrt. „Für den Verstoß gegen das sozialistische Recht“ wurde der Vorgesetzte der Tomsker örtlichen Abteilung Ivan Wasiljewich Ovtshinnikov, Stabshauptmann für Staatssicherheit der UdSSR, erschossen. Alle anderen, also die Meisten, bleiben unbeschadet. Gorbenko hat den Zweiten Weltkrieg überlebt, war in Kriegsgefangenschaft bei den Deutschen und hatte sein Parteibuch zerrissen.
Trotzdem wurde er wiederaufgenommen in die Partei und war Leiter des Konzentrationslagers in Sibirien, weiter hatte er in Tomsk den Posten des Leiters der Berufsschule für Kommunalbauten (коммунально-строительный техникум) inne, wo er auch Fälschungen an Dokumenten vorgenommen hatte, aber hier im Zusammenhang mit Studenten. Er „spielte“ mit den Dokumenten der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft, er musste sich disziplinarisch verantworten, wurde zurechtgewiesen. Aber er war ein Ass im Spiel mit dem Staatsapparat, er hatte absolut alles überlebt und alle überspielt. Er hatte einen Sohn, der keine Kinder hatte, weil er radioaktiver Strahlung in einer nuklearen Fabrikation in der geschlossenen Stadt Tomsk-7 ausgesetzt war. Ihr Kapital, dass sie aus fraglichen Quellen angehäuft hatten, einige zehntausend Rubel, wurden von der Frau dieses Sohnes ausgegeben, einer moralisch nicht sehr korrekten Dame. Also ging die Geschichte dieser Familie schlecht aus.
In der Akte gibt es sehr viele solcher Personen. Z. B. ein Unteroffizier der Staatssicherheit Zverev Anatolij Ivanovich („Unteroffizier“ – der niedrigste Dienstgrad der Offiziere im System des NKWD), Ermittler, arbeitete auf einigen Positionen in der Polizei im SIBWO, in militärischen Abteilungen, hatte auch Dokumente verfälscht.
Während des Zweiten Weltkrieges, als Leiter der gesonderten Abteilung fuhr er raus zu den militärischen Stützpunkten, wo er mindestens 30 Menschen verhaften ließ, wofür er eine Medaille „Für kämpferische Leistungen“ verliehen bekam – da hatte er wirklich was geleistet. Zudem bekam er auch den Orden des Roten Sterns in der selben Angelegenheit.
Sowohl Gorbenko und Ovtshinnikov und Zverev waren konkrete Schuldige an der Ermordung meines Urgroßvaters.
Ich habe mit denen angefangen, wer unmittelbar an der Erschießung am 21. Januar 1938 teilnahm, ich bestimmte die Vollstrecker, die Organisatoren und die Leiter. Dies war der Staatsanwalt von Tomsk, Nikolja Piljushenko (ein absolut Besessener, ein Tomsker Wyshinski ) Volkskommissar für innere Angelegenheiten der UdSSR Eshov, Staatsanwalt Wyshinski; Sekretär der dritten Abteilung für Staatssicherheit Poljakov, erster Stellvertreter Volkskommissar des Innere für innere Angelegenheiten Frinowskij, Sekretär der Westnovosibirsker regionalen Abteilung (Kraikom) WKP(b) Robert Eiche. Eiche wurde die Wirbelsäule gebrochen während des Verhörs: er war der einzige Mensch, der kein Geständnis darüber ablegte, dass er ein Feind des Volkes war, aber dieses hatte ihn auch nicht gerettet. Der Organisator der Tat war – Dshugashwili Joseph Wissarionovich und alle die, die Entscheidung des Politbüros ZK WKP(b) Nr. П5195 vom 2 Mai 1937 „über die antisowjetischen Elemente“ unterzeichnet hatten.
– Sie verfolgen also die gesamte Kette der Schuldigen an der Ermordung ihres Urgroßvaters – von den einfachen Ausführern in Tomsk bis zum Kreml?
– Ich habe das alles über die Dokumente hergeleitet und nach und nach neue Horizonte eröffnet. Ich erstellte eine logische Kette nach den Nummern der Befehle. Es muss noch erwähnt werden, dass die Biographien all dieser Menschen nicht durch das Archiv des FSB zusammengetragen wurden, die Staatssicherheit tut alles damit dies nicht rekonstruiert werden kann. Ich habe dort folgendes gebeten in Erfahrung zu bringen: Es gibt also Ovtshinnikov, den Leiter der örtlichen Abteilung des NKWD, er wurde erschossen, es gibt sogar eine geprüfte Akte, bestehend aus 12-13 Bänden, kann ich von ihm eine Fotografie bekommen? „Wir haben keine“. Aber das Porträt von Ovtshinnikov in Öl gemalt hängt in der Empfangshalle dieser Organisation. Es gibt noch viele weitere Beispiele dieser Art. Alle Informationen die ich erhalten habe, über die oben genannten Personen aus dem NKWD, wurden ohne die Hilfe des FSB zusammengetragen.
– Sind Sie einfach nur neugierig welches Schicksal diese Leute hatten, oder verfolgen Sie ein anderes Ziel?
– Am Anfang wollte ich einfach nur eine erneute Urkunde vom höchsten militärischen Gremium über die Rehabilitation meines Urgroßvaters. Danach habe ich die Sterbeurkunde angefordert, und gleich für alle, die mit ihm zusammen erschossen wurden. Weiter habe ich mir dann die Frage gestellt: Wurden die Leute zur Rechenschaft gezogen, die die Massenmorde verübt haben? Ich kam in das Vorzimmer des FSB und sagte: Holen, Sie, bitte, den Diensthabenden. Es kam der Major, eine angenehme Person, dort sind alle Menschen angenehm. Übrigens will ich noch sagen, wenn jemand von ihnen in ein beliebiges Archiv geht, ganz gleich zu welcher Behörde dieses gehört, erzählen sie dort nie etwas über ihre Gefühle – dies interessiert niemanden. Ihnen wird zwar aufmerksam zugehört, aber es wird trotzdem das gemacht, was in der Dienstvorschrift steht.
Sie können denken, dass dies gute Menschen sind. Z. B. gab es den Menschen Romanov Alexandr Alexandrovich, Leiter der dritten örtlichen Abteilung des Tomsker NKWD, auch direkter Beteiligter und Massenmörder in „meiner“ Angelegenheit. Es gab nicht nur die Industrie der Dokumentenfälschung in Tomsk, sondern auch die Industrie der schwarzen Kasse des NKWD, also (beim Arrest) beschlagnahmt wurden: Dokumente, Geld, Wertsachen und sogar Wohnungen – dies alles wurde umverteilt und verkauft unter den eigenen Leuten. Es gab ein schwarzes Netz von Immobilienmaklern (diese waren alle Angestellte des Tomsker UNKWD und Parteivorsitzende der Stadt. Alexandr Romanov verhaftete Lev Wyshinski, den Professor des Lehrstuhls der inneren Ballistik der Tomsker Universität, und beschuldigte ihn darin, dass er japanische oder deutsche Faschisten ausrüstet, hatte gleichzeitig aber ein nahezu freundschaftliches Verhältnis zu seiner Tochter, die sich in der Freiheit befand (er übergab ihr sogar die Uhr des inhaftierten Vaters und ihm kleine Briefe im Gefängnis, oder sagte ihr, dass es diese übergeben hatte. Aber selbst hatte er ihn verhört und war Ermittler in seinem Fall).
Sie dachte, dass er ein wunderbarer Mensch sei, der ihr hilft, aber er hat sie aus der Wohnung ausgewiesen und ist selber in diese eingezogen und bis zu ihrem Tod 2011 war sie sich sicher, dass so ein guter Mensch in so einer Institution gearbeitet hatte, aber in Wirklichkeit war es der Mörder ihres Vaters. Eine ähnliche Geschichte, die auf „Vertrauen“ beruhte, war zwischen dem Ermittler Zverev und einem der Söhne von Stepan Ivanovich – Kusma (er konnte nicht nachvollziehen, dass Zverev ein Ermittler war), der einen Schreit mit meinem Großvater hatte – seinem Bruder, nachdem dieser in die KPdSU eingetreten war.
Es gibt noch zahlreiche Beispiele. Das sage ich, weil ein Lächeln auch trügerisch sein kann.
Und so kam ich zum FSB. „Was ist passiert?“
– „Wissen Sie, es ist ein Mord geschehen“. – „In welchem Sinne?“ Ich zeige die Bescheinigung, eine Kopie aus dem Gremium des höchsten Gerichts. Er sagte: „Ich verstehe. Schreiben Sie eine Anfrage“. Ich habe eine Anfrage geschrieben. Ich durfte mich mit der Akte vertraut machen. Aber nicht in vollem Umfang, sondern nur begrenzt; der größte Teil der Blätter war „in Umschläge verpackt“. Wenn sie sich mit den Akten beschäftigen setzt sich neben sie ein Angestellter, etwa nur 15 cm von ihnen entfernt, schaut was sie da tun und welche Dinge sie rausschreiben. Die Antwort auf meine Frage, ob die Mörder zur Rechenschaft gezogen wurden, habe ich nicht bekommen. Angeblich musste sich Ovtshinnikov verantworten, Leiter der örtlichen Abteilung und das war es. Dies hat mich nicht sehr gewundert. Wo ist der Beweis dafür, dass er tatsächlich zur Verantwortung gezogen wurde, genau für den Mord an meinem Verwandten? Natürlich verstehe ich, dass dieser einzelne Fall hier auch eine Rolle gespielt haben dürfte, aber ich hätte trotzdem gerne ein Dokument. Ovtshinnikov, Leiter der Tomsker örtlichen Abteilung des NKWD wurde (wie es in seiner Akte steht) in Novosibirsk erschossen. In Novosibirsk ist es allerdings so, dass Sterbefälle nicht in den Standesämtern registriert werden. Es gab die Version, dass er in einem Strafbataillon umgekommen sei während des zweiten Weltkriegs. Beispiele solcher Art gibt es viele. Von Gorbenko, dem Fahndungsbeamten, der unter anderem schuldig war an dem Tod des Poeten Kljuev, gibt es eine Sterbeurkunde in Tomsk – Todesursache – gestorben durch einen Herzinfarkt. Diese Urkunde habe ich ebenfalls besorgt.
– Also sind sie quasi ein Privatermittler?
– Ja es gibt einige Anhaltspunkte an denen man sagen kann, dass das so ist. Z. B. fehlten Fotografien von Gorbenko, einem Massenmörder und Verfälscher von Dokumenten. Ich musste also in die Tomsker Berufsschule, an der er seinen Posten hatte, um dort Fotografien von ihm zu besorgen unter einem anderen Vorwand.
– Üblicherweise werden Ermittlungen mit einem gerichtlichen Prozess abgeschlossen…
– Ich möchte als erstes den Ort der Beisetzung ermitteln. Zum zweiten die Antwort erhalten, ob die Leuten, die Schuld haben an dem Tod meines Urgroßvaters zur Verantwortung gezogen wurden und so wie es scheint an einem Massenmord an acht Personen. Aber eigentlich nicht an acht Personen, sondern an dem Massenmord von mindeste 2000 Menschen. Außerdem möchte ich alle Dokumente zusammentragen, die mit dem Schicksal von Stapan Ivanovich zu tun haben. Wenn alles tatsächlich klappt, würde ich den Fall an eine Ermittlungsstelle oder an eine andere Institution weitergeben und einen Prozess anstreben. Keinen abstrakten Prozess – einen Prozess über dem Bolschewismus und den Terror, — sondern einen Prozess genau über diesen konkreten Fall. Es scheint zwar so, als wäre die Tat verjährt, aber es gibt auch Präzedenzfälle wie etwa in dem Fall Magnitski: Es wurde eine Klage angestrengt, als dieser bereits Tod war. Es gibt da gewisse Nuancen, dass wenn dies gekonnt anstrebt wird, dass dann zumindest der Antrag registriert wird. Ich verstehe, dass sich das utopisch anhören mag und auch übersinnlich, aber alles was ich geschafft habe seit dem Jahr 2012, als ich den Blog startete, zeigt, dass das Unmögliche möglich ist. Jetzt sind alle Personen, die mit dem Tod meines Urgroßvaters in Verbindung stehen bekannt. Die Einzigen die nicht bekannt sind, sind diejenigen, die nicht direkt an den Hinrichtungen beteiligt waren. Aber es gibt einen Kreis von Leuten die hier in Betracht kommen. Ich weiß zum Beispiel, dass es eine Frage des guten Tons wäre, wenn der Ermittler eines Falls sich auch um diese Angelegenheit kümmern würde. Ermittlungen sind eine Frage von Zeit.
– Hatte der Ermittler damals die Urteile auch vollstreckt?
– Nicht nur eins. Natürlich gab es dort ein Erschießungskommando. Dies war ein Spezialkommando. Der Ermittler drückte auf den Abzug, oder hantierte mit dem Brecheisen oder würgte. Es ist schrecklich sich vorzustellen, was dort passiert war. Das Erschießungskommando wurde extra abgefüllt und die Menschen wurden zu Tieren. Während der Zeit des großen Terrors gab es viele Selbstmorde unter den Angestellten unter anderem auch in der Tomsker örtlichen Abteilung des NKWD. Scheinbar waren das die „ehrlichen Tshekisti (чекисты)“, wobei sich dies seltsam anhört (so ein Oxymoron), bei denen die Psyche all das nicht ausgehalten hat.
– Denken Sie nicht daran ein Buch zu schreiben über ihre Ermittlungen?
– Im Moment ist die Sammlung der Unterlagen und Materialien auf einem akademischen Niveau, so dass daraus eine Doktorarbeit entstehen könnte oder eine Monographie. So habe ich z. B. sehr viele Unterlagen über die Angestellten der Tomsker örtlichen Abteilung des NKWD. Diese konnte ich auf wundersame Weise finden, weil jemand diese Dokumente nicht in dem ehemaligen Parteiarchiv der Stadt Tomsk vernichtet hatte. Diese wurden wohl einfach übersehen und nicht mit in den Bestand aufgenommen. Ich habe aber Archive gesehen, in denen diese aufgeführt waren.
– In Russland gibt es schon lange keinen linearen Zusammenhang der Zeit. So ein Weg in die Vergangenheit, zu der Familiengeschichte, wie bei ihnen, ist eher selten. Es gibt viel mehr „Iwans, die über ihre Vergangenheit und ihre Familiengeschichte nichts wissen wollen“.
– Wenn man mit Dokumenten arbeitet, versteht man, dass Zeit etwas sehr Relatives ist. Sie hält keinen Diskretionsabstand, hat einen ganz anderen Parameter, eine Qualität. Ich habe mich in der Universität mit den Fragen über die Zeit beschäftigt mit Heidegger. Z. B. teilt unser Zeitgenosse Simon Kardonskij, der an der Kategorie Zeit arbeitet, diese ein in die Zeit der Fundamentalisten, Progressisten und weist extra Zeit den Apparatschik (also den Beamten) zu. Der Beamte lebt entweder von Anweisungen oder von den Anfragen aus der Bevölkerung. Wenn du mit irgendeiner staatlichen Struktur in Verbindung trittst, hast du eine Mission, ein Ziel, du bist der Tradition verpflichtet, der Geschichte der Familie und in meinem Fall sind dies etwa 200 Jahre mit Dokumenten belegte Geschichte, die meine Existenz bestätigen. Und dir „setzt sich ein Beamter entgegen“ der beschränkt ist (in seinem Potenzial, im besten Fall), der nur begrenzt zeitlich in dieser Struktur tätig ist, beispielsweise beim NKWD, das sind 70 Jahre; wenn man die Tradition des FSB mit einschließt, dann etwas mehr. Aber tatsächlich ist er einfach nur mit der Annahme meines Antrags und der Reaktion auf diesen die ganzen letzten 30 Tagen beschäftigt. Die Kräfte, sind in diesem Fall ungleich und das Übergewicht ist nicht zu ihren Gunsten. Das ist mein existenzielles Werkzeug. Diesem handhabe ich wie mit dem philosophischen Hammer von Nietzsche. Genau aus diesem Grund gelang und gelingt es mir die Dokumente zu erhalten, Auskünfte und Urkunden, die auf der Website zu finden sind. Was den Zusammenhang mit der Zeit und der Familiengeschichte angeht, so unterscheide ich mich nicht von allen anderen: Der Zweite Weltkrieg und die Repressionen sind bei allen permanent im Unterbewusstsein verankert.
– Ihre Ermittlung ist noch nicht abgeschlossen. Was muss noch herausgefunden werden?
– Ich will die Namen aller Leute wissen, die an der Hinrichtung beteiligt waren und ich werde diese bekommen, früher oder später wird dies passieren. Wenn sie sich in Archiven mit Ermittlungsakten vertraut machen, sehen Sie nur eine einfache Bezeichnung wie z. B. „Mitarbeiter des UNKWD Zverev“ und weiter nichts d. h. keine weiteren Informationen oder Angaben. Behördliche Archive machen alles damit niemand außer ihnen etwas darüber weiß. Aber ich wusste, wenn ich alle die von mir gesammelten Dokumente in die Öffentlichkeit trage, im Internet hochlade und sie in Suchmaschinen indexiere, wird etwas passieren. Und tatsächlich ist etwas passiert und passiert auch weiterhin, über die Seite treten mit mir Menschen in Kontakt. Beispielsweise, Verwandte von der Person, der angeblich meinen Urgroßvater angeworben haben sollte in die Reihen der japanischen Aufklärer. Ich habe auch Akten zu der Entkulakisierung von 1928 – von dem Territorium des Fernen Ostens. Es haben Menschen angefangen mich zu kontaktieren, die in irgendeinem Verhältnis zu dem Dorf Wolkowo im Bezirk Blagoveshensk stehen (#1, #2). Wir konnten den Kontakt vertiefen und ich reiste dort im Jahre 2013 hin, wo ich von der Rolle des Zuschauers in die Rolle des Beteiligten schlüpfte.
Wie durch ein Wunder gelangte ich an Fotografien von dem bäuerlichen Hof von meinem Urgroßvater in Wolkowo (das war 1920-1924, in seiner Blütezeit; die Familie hatte nicht weniger als 200 h Fläche für die Landwirtschaft in ihrem Besitz).
Ich habe die genauen GPS-Koordinaten des Hauses bestimmt. Und als ich in Wolkowo ankam, erfuhr ich durch die Einheimischen, dass das Haus etwa zwischen 1960 und den 1970er Jahren abgerissen wurde. Ich kam zu diesem Ort … und ich habe genau das gesehen, was Stapan Ivanovich etwa mehr als 100 Jahre zuvor gesehen hatte, zwischen 1901 und 1902. Ich habe, wie auch er, eine leere Fläche gesehen. Dabei waren wir etwa gleich alt. Und dann dachte ich: Gab es dieses Jahrhundert überhaupt? Wo ist alles aus diesem Jahrhundert? Warum sehe ich genau das Gleiche wie er damals? Mir erschien dies gleichzeitig wie eine Schleife in der Zeit und wie eine Verspottung… Und zur selben Zeit ein Trauerkranz der sowjetischen Verwaltung in Russland. So vieles ist an diesem Ort geschehen, aber trotzdem ist dies wieder ein leerer Ort. Dies war wie eine religiöse Erfahrung. Zudem war es für mich absolut imaginär, dass ich quasi in dieses Foto gekommen bin, weil davor sich dieser Ort für mich in nichts von einem Märchen unterschieden hatte… Und in diesem Moment habe ich realisiert, dass ich nun nicht einfach ein Zuschauer bin, sondern ein aktiver Teil des ganzen.
Оригинал:
«Произошло убийство» – Дмитрий Волчек, программа «Культурный дневник» – 18 июня 2016, «Радио Свобода«* © Radio Free Europe/Radio Liberty, RFE/RL.*
Übersetzung
Übersetzung – 23.07.2016 – © Katharina Katschalkin.
Lizenz
Das Material darf frei verwendet werden mit einem verpflichtenden Verweis auf die Quelle – © KARAGODIN.ORG [https://karagodin.org/?p=9528]
* Согласно действующему законодательству РФ, «Радио Свобода» – включена в список «Иностранных агентов».
Последнее обновление: Суббота, 1 мая, 2021 в 10:03
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